Historie

Der Sachsenring - ein Rennkurs mit Tradition

Der legendäre Sachsenring vor den Toren der Karl-May-Geburtsstadt Hohenstein-Ernstthal ist über 95 Jahre alt. Radsport gibt es hier seit 1956

Feuertaufe 1927

Der traditionsreiche Kurs beging 2017 ein Jubiläum. Genau 90 Jahre lag es zurück, als auf dem Kurs vor den Toren Hohenstein-Ernstthals erstmals eine Veranstaltung ausgetragen wurde. Am Himmelfahrtstag des Jahres 1927 war der Sachsenring Schauplatz eines Rennens PS-starker Gespanne, initiiert vom Motorradfahrer Club Hohenstein-Ernstthal und Umgegend. 108 Fahrer, die mit 25 verschiedenen Fabrikaten des In- und Auslandes antraten, gingen beim so genannten Badberg-Viereckrennen an den Start.

Mekka für Motorsportfans

In den folgenden Jahren erlebte der 8,6 Kilometer lange Sachsenring eine Vielzahl glanzvoller Motorsportveranstaltungen: In den dreißiger Jahren zweimal den Großen Preis von Europa, 1950, 1959 und 1960 Läufe zur gesamtdeutschen Meisterschaft und zwischen 1961 und 1972 gab es auf dem Kurs Weltmeisterschaftsläufe. Hunderttausende Zuschauer strömten zu diesen Ereignissen an die Rennstrecke. Die Veranstaltung mit den meisten Besuchern - über 400 000 - datiert aus dem Jahre 1950. Berühmte Motorradrennfahrer wie Giacomo Agostini und Dieter Braun zählten zu den Siegern auf dem renommierten Kurs. Zum letzten Mal brummten die Motoren bei einem Rennen auf dem Sachsenring im Jahre 1990. Pläne für den Bau eines neuen, den aktuellsten Ansprüchen in punkto Sicherheit und Lärm genügenden Motodroms, mussten im Jahre 1992 zum Bedauern vieler Motorsportfreunde vorerst zu den Akten gelegt werden. Im August 1995 wurde ein Verkehrssicherheitszentrum an der Rennstrecke eröffnet.

Für den Radsport entdeckt

Doch nicht nur das Brummen PS-starker Motoren ist den Besuchern des Sachsenring in Erinnerung geblieben. Auch flinke Beine sorgten für Rennsporthöhe­punkte zwischen Heiterem Blick und Badberg. 1956 wurde der Sachsenring für den Radsport entdeckt. Bis 1959 traf sich hier die Weltelite der Amateure jährlich zum „Großen Preis des Sportechos“, der offiziellen Weltmeisterschafts-Revanche. Ein legendäres Rennen erlebten am 13. August 1960 über 150 000 Zuschauer, als auf dem Sachsenring die Straßenweltmeisterschaft der Radsportamateure ausgefahren wurde. Gustav-Adolf „Täve“ Schur ebnete damals seinem Mannschaftskameraden Bernhard Eckstein durch eine taktische Meisterleistung den Weg zum Weltmeistertitel. Das Frauenrennen der Weltmeisterschaft entschied die Engländerin Beryl Burton vor der Belgierin Rosa Sels und Elisabeth Kleinhans aus der DDR. Den Weltmeistertitel der Berufsfahrer gewann am nächsten Tag der Belgier Rik van Looy vor dem Franzosen Andre Darrigade und dem Belgier Pino Cerami. Vor Begeisterung und vor Freude über diesen Erfolg taufte der frisch gebackene Profi-Weltmeister sein Haus im belgischen Herentals spontan „Villa Sachsenring“.

DMDie Weltmeisterschaft 1960 auf dem Sachsenring war für mich das nachhaltigste Rennen in meiner sportlichen Karriere. Überall, wo ich danach hingekommen bin, wurde ich stets gefragt: Mensch, wie war das damals auf dem Sachsenring? Und ich erzähle es dann immer wieder: Ich habe mit Bernhard Eckstein den führenden Belgier Willy Vandenberghen eingeholt, Eckstein hat sofort angegriffen und ist weitergerast. Der Belgier blieb bei mir, dachte sicher, der Schur, der will zum dritten Mal Weltmeister werden und hätte dann für sein Leben ausgesorgt. Aber da hatte er sich getäuscht. Auch im Zielsprint hat der Belgier dann noch einen Fehler gemacht, ist einen viel zu kleinen Gang gefahren. Ich habe einen größeren Gang aufgelegt und konnte ihn schlagen, obwohl er eigentlich von Haus aus der bessere Sprinter war. Ich kann mich an die tolle Stimmung an der Strecke erinnern. Manche Zuschauer schienen verzweifelt. Schließlich mussten sie bis zur letzten Runde warten, erst dann konnten wir die Entscheidung herbeiführen. Für mich ist es interessant, wie lange die Erinnerung an dieses Ereignis anhält. Und es wird über Generationen hinweg weitererzählt, was ich immer wieder erlebe. Ich denke an den überaus herzlichen Empfang, den mir viele Menschen 1992 bei meinem Besuch der 3-Nationen-Meisterschaft der Profis auf dem Sachsenring bereiteten. Das war überwältigend.

Hohenstein-Ernstthal, die Region am Sachsenring, Chemnitz, das Erzgebirge - überall gibt es große Begeisterung für den Radsport. Bis heute erhalte ich von hier immer wieder Einladungen, und war zu verschiedensten Veranstaltungen dabei. Ich bin gern in dieser Gegend. Sie ist ideal für Radsportler und Radtouristen, mit ihrer Landschaft, den Bergen. Der Sachsenring ist mittlerweile ein geschichtsträchtiger Ort. Dort sollte wieder einmal ein ganz großes Rennen stattfinden.“ (Täve Schur, 03/2015)

 

Meisterschaftskurs

Mehr als zehnmal fanden in den folgenden Jahren Meisterschaften der DDR auf dem Kurs statt. Olaf Ludwig oder Jens Heppner stand bei diesen Rennen auf dem obersten Treppchen. Den Rekord bei einem Meisterschaftsrennen auf dem Sachsenring hält Martin Goetze mit drei Siegen. Mittlerweile Profis geworden, gingen viele der bekannten Akteure des DDR-Radsports 1992 am Sachsenring erneut an den Start eines Radrennens – bei der 3-Nationen-Straßenmeisterschaft der Berufsradrennfahrer aus Deutschland, der Schweiz und Luxemburg. Eine überwältigende Kulisse von rund 50.000 Zuschauern säumte an diesem heißen und sonnigen Sommertag die Straßen rund um den Sachsenring. Der Schweizer Thomas Wegmüller gewann vor den beiden Deutschen Heinrich Trumheller und Rolf Aldag.

FIAT-Preis und neuer Kurs

Der Titelkampf der Profis gab Impulse für künftige Radrennen auf dem Sachsenring. 1993 wurde der „Große FIAT-Preis“ aus der Taufe gehoben, der dank des Engagements der FIAT-Händler rund um den Sachsenring vier Auflagen erlebte. Neben Fahrern der Männerklasse erhielt bei dieser Veranstaltung stets auch der Nachwuchs Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen. 1994 erlebte der traditionelle Radsportkurs einen weiteren Höhepunkt: Der Berufsradfahrerverband vergab die letzte 3-Nationenmeisterschaft Deutschland – Schweiz – Luxemburg wieder in das sächsische Radsportmekka. Wieder kamen Tausende, wieder gab es eine Hitzeschlacht, und es gab einen bekannten Sieger: Jens Heppner, der auf dem Kurs 1990 letztmalig DDR-Meister bei den Amateuren wurde, holte sich auch diesen letzten Titel eines 3-Nationen-Meisters vor Christian Henn und dem Schweizer Felice Puttini. Nur ein Teil der Strecke führte dieses Mal über den originalen Sachsenring, da auf dem Abschnitt zwischen Start und Ziel Motorsportfreunde eine Veranstaltung austrugen.

Vom Virus infiziert - Neustart

Nachdem im Jahr 1996 letztmalig auf dem Sachsenring eine hochkarätige Radsportveranstaltung stattfand, gab es auf Grund der Initiative von Radsportbegeisterten und der Gründung des gemeinnützigen Vereins Internationales Radrennen Rund um den Sachsenring e.V. (VIRUS) erst 2004 wieder regelmäßig Radrennen rund um den Sachsenring: Zu Ostern ist die Grand-Prix-Strecke Stelldichein für Radsportler aus nah und fern. Eine weitere Veranstaltung findet Ende August statt. Für diese haben sich in den vergangenen Jahren auch das Terrain am Rathaus und die Innenstadt von Hohenstein-Ernstthal als stimmungsvolles Ambiente für Radrennen erwiesen.

Im Frühjahr 2015 wurde das 60. Sachsenringradrennen gestartet. Aus vielen Erinnerungen und Bildern von Radsportlern aus mehreren Generationen gab der Verein Internationales Radrennen Rund um den Sachsenring eine Broschüre heraus. Die Broschüre ist nur über den Verein direkt auf Anfrage erhältlich. [Kontakt]

Die Folge der Sachsenringradrennen konnte kontinuierlich fortgeschrieben werden. Generationen von Radsportlern haben hier die Möglichkeit erhalten, hochkarätige Wettkämpfe zu bestreiten - in Schüler- und Jugendklassen, in Lizenzrennen der Frauen, Männer oder Senioren oder als Teilnehmer der Jedermann- und Hobbyrennen. Auch in der Coronapandemie ist die Reihe der Veranstaltungen ohne Unterbrechung fortgesetzt worden. Am 8. April 2023 wird zum nunmehr 80. Sachsenringradrennen eingeladen.

Meisterschaften einer neuen Generation

Die Grand-Prix-Strecke hat sich zudem einmal mehr als gefragter Meisterschaftskurs für Radsportler erwiesen. 2019 – 25 Jahre nach der letzten 3-Nationen-Straßenmeisterschaft der Berufsradfahrer – fand am 30. Juni wieder eine Deutsche Meisterschaft im Einer Straßenfahren auf dem Sachsenring statt. Der Kurs führte über den neuen Sachsenring hinaus auf den alten Sachsenring, den Badberg hoch, zum Gewerbegebiet Am Sachsenring und wieder zurück, den Badberg hinunter und zurück auf das Sachsenring-Gelände. Im Rennen der Frauen gewann Lisa Brennauer vor Lisa Klein und Liane Lippert. Nach einer langen Hitzeschlacht gewann das Rennen der Männer Maximilian Schachmann, der sein frisch gewonnenes Trikot des Deutschen Meisters eine Woche später zur Tour de France mitnahm. Zweiter wurde der Zschopauer Markus Burghardt vor Andreas Schillinger. Das Meisterschaftskapitel wurde ein Jahr später fortgeschrieben. Mitten in der Coronapandemie war der Sachsenring am 23. August 2020 erneut Austragungsort einer Deutschen Meisterschaft. Diesmal blieb die Rennstrecke auf den Sachsenring beschränkt. Diesmal mussten Fahrer 42 Runden – insgesamt 150 Kilometer - ausschließlich auf dem Grand-Prix-Kurs absolvieren. Für die Frauen ging es über 110 Kilometer auf dem Motorsportkurs. Grund für die Austragung ausschließlich auf dem Rundkurs war die Coronapandemie, die für Sportveranstaltungen strengste Hygienevorschriften vorsah. Sie war auch die Ursache dafür, dass im internationalen UCI-Kalender die nationalen Meisterschaften auf einen August-Termin rückten, eine Woche später startete die Tour des France, ebenfalls zu einem späteren Zeitpunkt als gewöhnlich in der Rennsaison der Radprofis. Im Spurt des geschlossenen Hauptfeldes konnte sich Marcel Meisen durchsetzen. Zweiter wurde Pascal Ackermann vor Alexander Krieger. Titelverteidiger Maximilian Schachmann konnte verletzungsbedingt seinen Titel nicht verteidigen. Anders als im Rennen der Frauen: Hier holte sich Titelverteidigerin Lisa Brennauer erneut den Sieg vor Charlotte Becker und Tanja Erath. Meister wurden auch 2021 gekürt: Auf dem Sachsenring fand am die 3-Länder-Meisterschaft der Männer in der Klasse U 23 statt. Aktive aus Deutschland, der Schweiz und Luxemburg waren nach Sachsen gekommen. Kim Heiduk gewann am 24. Mai 2021 diese 3-Länder-Meisterschaft und wurde damit zugleich deutscher U23-Meister, gefolgt von Michel Heßmann und Jakob Geßner. Meister der Schweiz wurde Valère Thiébaud, der Luxemburger Titel ging an Arthur Kluckers.

(03/2023)